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Sterbebegleitung: Abschied gestalten – auch den Abschied von einem Tabu
Erlaube, dass ich hier mit einer provokanten Frage beginne: Was ist so schlimm daran, dass wir sterben? Dabei ist es selbstverständlich schlimm, wenn wir uns von einem lieben Menschen verabschieden müssen, wenn wir unser Leben ohne ihn weiterführen müssen, wenn wir ihn vermissen. Auch ist es schlimm, liebe Mitmenschen leiden zu sehen, nicht helfen zu können. Das meine ich nicht. Ich meine: Wir müssen alle irgendwann diese Form des Daseins beenden. Der Prozess wird mehr oder weniger schwer. Das ist so. Das können wir nicht ändern.
Ändern können wir unsere Einstellung dazu. Also: Was macht es so schlimm, sich mit dem Thema Sterben und Tod zu befassen? Warum finden wir es so unerträglich und vermeiden es lieber, als uns dem (damit auch unserer Angst) zu stellen?
Wenn unser Leben beginnt, sind alle glücklich. Voller Dankbarkeit verstehen wir die Geburt als ein Wunder! Die werdende Mutter hat Hilfe bei der Geburt, es gibt Geburtsvorbereitungskurse, Hebammen und Geburtskliniken. Wir feiern die Geburt eines neuen Menschen.
Was passiert mit den Menschen, deren Leben hier auf der Erde zu Ende geht? Sehr oft und viel zu oft ist dieser Prozess mit Einsamkeit, Angst, Schmerz und Hilflosigkeit verbunden. Wir hadern, wollen nicht wahrhaben, vermeiden damit verbundene Themen. Welchen Abschied wünscht sich der Sterbende? Welche Bedürfnisse gibt es? Welche Begleitung wird als Unterstützung in Erwägung gezogen? Was bedarf noch der Klärung? Wie stellt er sich seine Trauerfeier vor? Gibt es Wünsche für die Grabgestaltung oder zur Regelung des Nachlasses?
Wir leben bis zum letzten Atemzug. Bis zum letzten Atemzug sind wir da – sind Teil einer Gemeinschaft und haben das Recht und auch das Bedürfnis gesehen, gehört und mit all unserem Sein angenommen zu werden.
Ich habe schon als Kind nicht verstanden, weshalb das Thema Sterben und Tod jedenfalls hierzulande so tabuisiert wird. Gut, es gibt Hospize, Palliativpflege und Hospizvereine. Aber sonst: versuche mal, ganz gleich wie es dir geht, wie alt oder wie gesund du bist, mit deinen liebsten Mitmenschen über deine Angst zu sprechen, vor deinem eigenen Sterben oder dem befürchteten Tod eines nahen Angehörigen.
Es ist so wichtig, dass wir das Leben in seiner ganzen Fülle annehmen – vom ersten bis zum letzten Atemzug! Und wir dürfen bis zuletzt das ausdrücken, was wir fühlen, was wir uns wünschen und was uns ängstigt.
Wenn wir als Sterbender oder als Angehöriger Angst haben, uns überfordert fühlen, uns die Kraft fehlt, ist das vollkommen in Ordnung. Diese Gefühle fordern uns auf, uns um uns zu kümmern und zu erkennen, dass wir aktiver Teil dessen sind, was wir erleben. Ich habe nun schon unzählige Male den Sterbenden wie auch die Angehörigen unterstützt und erlebt, wie beruhigend und damit auch heilsam es ist, sich für eine zusätzliche – externe – Unterstützung zu entscheiden.
Hast du eine Frage zur Sterbebegleitung oder wünschst du dir weitere Beiträge zu diesem Thema in meinem Blog, schreibe gerne an
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